Die Wohnungssuche macht auch dir Angst? Fünf Ideen, wie wir die Wohnungsnot lindern könnten!

Wer hat es nicht durchgemacht? Wochenlanges Suchen und die Unsicherheit ob man zum Beginn des Studiums oder der Ausbildung schon eine eigene Bleibe gefunden hat. Die Frage: Was kann ich mir mit meinem Einkommen noch leisten? All das beschreibt die Situation vieler junger Menschen in den Städten, wenn sie auf Wohnungssuche gehen – auch in Schleswig-Holstein. Dieser Blogbeitrag will einen Blick auf das Thema Wohnungsnot wagen.

Wie sieht es aus in Schleswig-Holstein?

 

Schleswig-Holstein braucht bis 2030 71.000 neue Wohnungen, so die Wohnungsmarktprognose der IB.SH (2019). Allein in Kiel und Lübeck fehlen zehntausende Wohnungen, um den Bedarf zu decken. Die Mietpreise steigen. Gleichzeitig ist der Anteil an sozialem Wohnungsbau in den Städten Schleswig-Holsteins in den letzten zehn Jahren drastisch zurückgegangen. Bedroht sind durch diese Entwicklung insbesondere Personengruppen mit geringem oder unregelmäßigem Einkommen. Menschen in der Lehre, im Studium oder bei der Familiengründung müssen einen immer größeren Anteil ihres Einkommens allein dafür opfern, dass sie ein Dach über dem Kopf haben – viel zu häufig über fünfzig Prozent. Ob der Wohnraum angemessen ist, also ihren Bedürfnissen entspricht, ist dabei noch gar nicht gefragt. Die Menschen sehen sich gezwungen an die Stadtränder auszuweichen oder sich vom Einkommen ihrer Eltern abhängig zu machen. Ein unhaltbarer Zustand. Doch was läuft eigentlich falsch?

 

Mal etwas tiefer gebohrt: Zum Kern des Problems.

 

Zunächst sollten wir uns mit den grundlegenden Fragen zum angemessenen Wohnen befassen und eine erweiterte Perspektive aufmachen: Nach dem Krieg stand Deutschland vor einer dramatischen Lage auf dem Wohnungsmarkt. Kriegs- und Migrationsbedingt fehlten allein in den drei Westzonen ca. 5,5 Millionen Wohnungen. Durch eine massive Investitionstätigkeit des Staates schaffte Deutschland es innerhalb von 10 Jahren diese Lücke zu füllen. In dieser Zeit der Not gab es die Wohnungszwangsbewirtschaftung: Es galten staatlich gesetzte Mietniveaus, es gab ein Kündigungsverbot und privater Wohnraum wurde staatlich an Bedürftige vergeben. Der Staat hat garantiert, dass jeder eine angemessene Wohnung bekommt – auch die Menschen, die es sich sonst nicht leisten könnten.

 

Seitdem zieht sich der Staat zunehmend aus der Förderung von Wohnungsbau zurück, insbesondere seit den 80er Jahren. Dazu gehört zum Einen die neoliberale Bodenpolitik der Kommunen – ein Thema, das einen eigenen Blogbeitrag verdient. Zum Anderen lässt sich beobachten, dass der Staat mit der sogenannten “Subjektförderung” (z.B. Wohngeld) zunehmend auf der Nachfrageseite des Wohnungsmarktes interveniert, statt beispielsweise mit dem sozialen Wohnungsbau an der Angebotsseite anzusetzen. Der Unterschied: Beim Sozialwohnungsbau werden mit der “Mietpreisbindung” Höchstmieten und mit der “Belegungsbindung” eine Belegung der Wohnungen durch bedürftige Menschen festgelegt. Das heißt: Den Investoren wird für die Zeit der Sozialbindung ein Riegel vor die Profite geschoben.

 

Genau hier sitzt der Knackpunkt. Wie können wir es eigentlich generell ethisch vertreten, dass einzelne Großinvestor*innen Milliardengewinne mit den Grundbedürfnissen der Gesellschaft scheffeln? Die Antwort: Gar nicht! Ob Gesundheitssystem, Altenpflege, Wohnungsmarkt – es ist schlichtweg falsch, dass die Besitzenden – und damit ist nicht die stolze Eigenheimbesitzerin gemeint – sich aus ihrer Machtposition heraus bereichern und normale Menschen immer größere persönliche Einbußen hinnehmen müssen.

 

Ein Beispiel: Von den ca. 135.000 Wohnungen in Kiel gehören ca 23.000 dem Immobilienmogul “Vonovia” – das macht einen Marktanteil von ca. 17%*. Mit einem solchen Marktanteil ergibt sich für ein Unternehmen gegenüber den Nachfrager*innen und den Konkurrent*innen ein strategischer Vorteil, den das Unternehmen nutzt, um auf die Kosten der Anderen die eigenen Kassen zu füllen und die Machtposition noch weiter auszubauen. Das macht Vonovia, weil sie als Aktiengesellschaft zuallererst ihren Anteilseignern, den “Shareholdern”, rechenschaft schuldig ist. Diese wiederum sind weit weg von den Ängsten, Problemen und Lebenswelten der Mieter*innen in Kiel. Sie sehen nur, wie sich der Wert ihrer Aktie und die Gewinnausschüttung entwickelt. Das ist die Logik des Kapitalismus: Wer viel hat, dem wird gegeben. Andere werden ausgebeutet. Hört sich nicht nur theoretisch nach Mist an, ist es auch real. Denn es geht hierbei um die Schicksale von realen Menschen – um die Frage ob sich soziale Brennpunkte an den Stadträndern entwickeln oder fünfköpfige Familien in viel zu kleinen Wohnungen leben müssen. Wohnen ist schließlich mehr als ein Dach über dem Kopf.

 

Die Profitlogik aufbrechen – Es braucht eine Demokratisierung der Wohnungswirtschaft!

 

Was es langfristig bräuchte:

 

Profite in der Wohnungswirtschaft müssten unterbunden werden. Das könnte mit einem massiven Ausbau von festen, zeitlich nicht befristeten Sozialwohnungsquoten mit Mietpreis- und Belegungsbindung erreicht werden. Ein Wiedererstarken der nichtkommerziellen Wohnbaugenossenschaften könnte durch eine staatliche Bevorzugung und Subventionierung ermöglicht werden. Wer sich in einem demokratischen Verständnis und ohne Profitgier organisiert, verdient es von der Demokratie unterstützt zu werden.

Auch der kommunale Wohnungsbau sollte ein wichtiger Bestandteil einer demokratisch-sozialistischen Wohnraumpolitik sein. Den Kommunen wurde mit der Umstrukturierung des Wohngeldes durch die Hartz-Gesetze eine große Belastung auferlegt. Es wäre nur richtig, den Kommunen nun die nötige Unterstützung zukommen zu lassen, um eigenen Wohnraum aufbauen zu können. Es wäre dann einfacher, Bedürftigen einen sozial vertretbaren Standard zu garantieren. Durch diese Maßnahmen ließe sich auch eine bessere soziale Durchmischung erreichen und auf Krisen könnte besser reagiert werden, weil das Angebot viel stärker durch den Staat mitbestimmt würde.

Was können wir schnell und konkret tun?

 

Wir wissen jetzt: Die private Bereitstellung von Wohnraum versagt und ist ethisch fragwürdig. Bezahlbares Wohnen ist ein existenzielles Grundbedürfnis, für das der Staat im Rahmen seiner Sozialstaatsverpflichtung zu garantieren hat. Aus meiner Sicht bräuchte es 3 schnell realisierbare Schritte, um den Wohnungsmarkt kurzfristig auf den richtigen Weg zu bringen:

 

Um der Fehlentwicklung zu begegnen brauchen wir einen großzügigen Ausbau der staatlichen Investitionen. Konkret fordern die Jusos S-H beispielsweise schon länger, dass das Land das Studentenwerk SH für einen verstärkten Wohnungsbau ausfinanzieren soll. Wir wollen jährlich mindestens 5000 neue Wohnungen in Schleswig-Holstein. Auch braucht es gesonderte Neubaukontingente für den Wohnraum junger Menschen, wie zum Beispiel Student*innen.

Es muss die Praxis her, dass feste, zeitlich nicht befristete Sozialquoten gesetzt werden. Im privaten Wohnungsbestand muss kurzfristig die Not einkommensschwacher Familien mit dem (Rück-) Ankauf von Mietpreis- und Belegungsbindungen behoben werden. Dafür müssen Kommunen finanziell ausgestattet werden.

Auch könnten alternative Wohnformen verstärkt unterstützt werden, z.B. WGs in denen alte Menschen in günstigen, aber häufig viel zu großen Wohnungen mit jungen Menschen zusammengebracht werden.

Wir können also auch kurzfristig und im Rahmen des jetzigen Systems einiges tun. Das Geld wäre da, jetzt wo beschlossen wurde, die Schwarze Null auszusetzen. Wir müssen es nur wollen!

 

* Siehe: Statista: Bestand an Wohnungen der Wohnungsgesellschaft Vonovia im Jahr 2019 nach Regionalmärkten in Deutschland & Wohnungsmarktbericht der Stadt Kiel (2018)

 

Marcello Hagedorn