ein Interview mit einem Bekannten von uns, der das Neujahrsfest in Wuhan/China verbracht hat. Um seine Persönlichkeit zu schützen, haben wir auf eigenen Wunsch seinen Namen geändert. Die Aussagen des Interviewpartners spiegeln nicht zwingend die Meinung der Jusos wieder.
Eigentlich wollte Wang (Name geändert) einfach nur das chinesische Neujahrsfest mit seiner Familie in Wuhan verbringen. Doch das Coronavirus machte dem in Leipzig lebenden Studenten einen Strich durch die Rechnung. Und so erlebte er den Ausbruch der weltweiten Pandemie hautnah. Hier berichtet er von seinen Erlebnissen:
Frage 1: Wie hat sich der der Alltag in Wuhan durch den Ausbruch von Corona verändert?
Die Veränderung ist sehr deutlich, die ganze Stadt ist plötzlich still geworden wie nie vorher. Fast kein Mensch auf der Straße. Die Stadt wurde zwei Tage vor dem chinesischen Neujahr abgeriegelt. Für uns ist dieses Fest wie Weihnachten. Stell dir mal vor, niemand besucht seine Familie, seine Geliebte, alle bleiben zu Haus, es gab sogar auch ein paar, die seitdem gar nicht mehr nach Haus gehen konnten. In diesem Zeitpunkt ist die Veränderung ganz krass geworden.
Am Anfang nach der Abriegelung konnte man noch in den Supermarkt gehen, aber ungefähr drei Wochen danach waren alle Supermärkte geschlossen, seitdem kann man Lebensmittel nur via Handy-App bestellen. All diese waren nur dafür, dass man richtig zu Haus bleiben konnte. Es gab die sogenannte Ausgangssperre. Ganz normal spazieren gehen konnte man auch nicht mehr.
Viele Unternehmen waren/sind auch pausiert, auch die öffentlichen Verkehrsmittel- und Taxifirmen. Es bleibt nur Polizei, Krankenhäuser und Lieferdienste u.a.. Alle gehen entweder nicht mehr zur Arbeit oder machen Homeoffice.
Frage 2: Hattest du den Eindruck, dass das Corona-Virus anfangs unterschätzt wurde?
Ja definitiv. Vor allem war die Botschaft der Regierung am Anfang auch ganz “unklar”(in der Phase von Dez. bis Anfang Januar). Ich bin der Meinung, wenn die Regierung eine Sache ganz ernst nimmt, wird es die Bevölkerung erst ein bisschen ernst nehmen.
Ich bin am 19.1 von Deutschland nach Wuhan geflogen, über den Virus habe ich auch in den Nachrichten erfahren. Ich dachte China hat schon Erfahrungen gegen die SARS-Epidemie, diesmal sollte nicht schief gehen und wird gut kontrolliert, man muss ja bloß “ein bisschen aufpassen”, und “keine Panik haben”. Aber man weiß bloß nicht, dass es sich so schnell ausgebreitet hat.
Die Stadt Wuhan gab sich fast jede Woche neue Regeln, um die vorherigen Maßnahmen zu verbessern, oder gar verändern. Es zeigt sich auch, dass dieser Virus ist sehr “listig” ist, es wird nicht einfach, die Ausbreitung aufzuhalten.
Frage 3: Welche Auswirkungen hatte das auf das gesellschaftliche Miteinander?
In China läuft oft im Fernsehen solche Slogan wie “wir isolieren das Virus aber keine Liebe”, “der Frühling mag wohl spät zu sein, istaber nie abwesend”. Die Chinesen können sich ja dazu auch richtig verhalten und gut an die Regel halten: Wenn es zu Haus bleiben heißt, verlassen wir die Wohnung gar keinen Schritt. Wenn man Sozialkontakte einschränken soll, machen wir trotz des Neujahrs gar keinen Familienbesuch. Stattdessen telefoniert man miteinander oder wir machen Video-Chats. Man distanziert sich mit Familien oder Freunden, bleibt trotzdem “zusammen”.
Aber negative Auswirkung gibt es natürlich auch: Fremdvertrauen wird nur schlimm und schlimmer werden. Nur weil dieser Virus unsichtbar ist und man gar nicht erkennen kann, ob fremde Leute infiziert sind. Es könnte Ärger geben, wenn man sich zu nah steht, z.B. im Supermarkt gibt es oft solche Fälle.
Frage 4: Worin unterscheiden sich Maßnahmen in Deutschland und in China?
Ich bin momentan nicht in Deutschland, deswegen kann ich gar nicht ganz genau sagen, was man gerade in Deutschland erlebt.
Aber ich würde sagen, momentan nimmt Deutschland die gleiche Maßnahmen wie China:
-Werbung für das Händewaschen
-Sozialkontakte einschränken (Schule, Geschäfte u.a. schließen, befürworten zu Haus zu bleiben u.a.)
-und langsam sagen die deutsche Experten jetzt auch: Mundschutz tragen
Trotzdem sind die Maßnahmen in Deutschland zu spät gekommen, sonst würde das Virus sich nicht so schnell ausbreiten. Dieser Virus wird in Deutschland eben untergeschätzt, obwohl man das Beispiel China hat. Finde ich sehr schade.
Frage 5: Glaubst du, dass sich die Zahl der Neuinfektionen in China tatsächlich so stark reduziert hat, wie offizielle Zahlen es sagen?
Ich bin der Meinung, die offizielle Statistik ist nur dafür da, um zu referenzieren. Absolute korrekte Zahl gibt es nicht. Ich weiß, im Westen wird China sehr gern angezweifelt, aber ich muss sagen, es ist nicht nur in China so, sondern eigentlich überall in der Welt.
In Wuhan gibt bei uns seit ca. einer Wochen “null” Neuinfizierte. Ob es wirklich “null” sind, kann ich schwer glauben. Aber die Botschaft der Regierung ist dadurch ganz klar: der Kampf gegen Coronavirus in Wuhan sei grundsätzlich abgeschlossen (zitiere ich direkt aus dem Titel der Nachrichten).
Außerdem sind alle Quarantäne-Krankenhäuser bereits abgebaut und die nach Wuhan gesendete Ärzte und Pflegerpersonal sind wieder auf der Heimreise. Es ist eine Nachweis, dass die Zahl wirklich stark reduziert ist. Wir Wuhaner sind zwei Monaten lang nur zu Haus geblieben, der Virus konnte sich dadurch wohl auch nicht verbreiten.
Frage 6: Wie sieht dein Alltag in Wuhan im Moment aus? Wann glaubst du, wird er wieder normal sein?
Momentan dürfen die Menschen raus oder auf die Arbeit gehen, aber nur unter bestimmten Bedingungen, z.B. mit einem Erlaubnis. Restaurants sind noch geschlossen. Supermärkte sind wieder offen, man wird kontrolliert bevor man reingeht.
Ich würde sehr gern glauben, dass der normale Alltag wieder zurückkommen kann. Aber momentan ist es noch unklar. Ich bleibe zum Beispiel noch zu Haus. Was ich jeden Tag mache: zocken, Filmschauen usw.
Frage 7: Welche Maßnahmen aus Wuhan würdest du sagen sollten auch in Deutschland übernommen werden?
Wie ich durch sozialen Medien gesehen habe, gibt es in meinem Freundeskreis immer noch Leute, die nicht richtig zu Haus bleiben (meistens jüngere Menschen). Es ist wohl der kulturelle Unterschied. Aber bisher wird noch keine bessere Maßnahmen erfunden außer Sozialkontakte vermeiden. Die Lage in Deutschland ist ziemlich ernst. Die Fallzahl steigt rasend, irgendwann könnte das Gesundheitssystem auch zusammenbrechen.
Deswegen möchte ich sagen, die Ausgangssperre sollte noch strenger kontrolliert werden.