Ein Jahr im Europaparlament: Interview mit Delara Burkhardt

Hey Delara, danke, dass du dir Zeit für uns nimmst! Du bist jetzt ja seit einem Jahr Abgeordnete im Europäischen Parlament, welches Erlebnis war im ersten Jahr für dich am aufregendsten im Parlament?

Eigentlich ist jeder Tag aufs Neue aufregend für mich. Denn von Tag zu Tag kann ich mit meinen Kolleg*innen aus ganz Europa zusammenkommen, daran arbeiten, Europa besser zu machen. Genauso viel Spaß macht es, in Schleswig-Holstein, Deutschland, ganz Europa oder auch mal darüber hinaus unterwegs zu sein, spannende Menschen kennen zu lernen und über Ideen und Erwartungen ans Europäische Politik zu sprechen. Aber auch andersherum freut es mich dann, wenn ich mit meiner Arbeit im Europäischen Parlament direkt den Alltag vieler Menschen verbessern kann.

Aber ihr habt ja nach einem ganz besonderen Erlebnis gefragt: Der Moment, der mir vermutlich für immer in Erinnerung bleiben wird, war, als ich das erste Mal als Abgeordnete in den Plenarsaal des Europäische Parlament in Straßburg ging und dort Platz genommen habe. Das war ein so ein krasser Moment für mich. Da hat man vielleicht auch erst richtig realisiert, dass man jetzt fünf Jahre lang die ehrenvolle Aufgabe hat, die Bürger*innen Europas in diesem Parlament zu vertreten.

Was hast du bis heute noch nicht komplett verstanden?

Den Brexit. Fast auf den Tag genau ist er heute vier Monate her. Am 30. Januar hatten wir unsere letzte gemeinsame Plenarsitzung mit unseren britischen Kolleg*innen – das war unfassbar traurig. Das Problem an der ganzen Geschichte ist, dass bis heute nicht klar ist, welche Folgen es haben wird.

Das verstehen wohl auch langsam die britischen Verhandlungspartner*innen. Sie betonen zwar überall ihre Unabhängigkeit, aber wollen trotzdem vollen Zugang zum europäischen Markt. Das wird so leider nicht funktionieren. Wir müssen verhindern, dass Großbritannien eine Dumping-Insel mit Marktzugang zur EU wird. Denn wir werden nicht mit einem Vereinigten Königreich zusammenarbeiten, dass hinter die Arbeitnehmer*innenrechten oder Umweltstandards zurückfällt.

Was hast du dir für das kommende Jahr vorgenommen?

Dass es weiter volle Kraft voraus gehen muss. Momentan ist alles auf die Bekämpfung der Coronakrise ausgerichtet. Dadurch erleben wir, dass einige europäische Staaten nationale Alleingänge versuchen. Dem müssen wir mit europäischer Solidarität begegnen. Denn was die Krise im Gesundheitsbereich oder auch in der Wirtschaft zeigt: Gemeinsam sind wir stärker!

Unsere Solidarität darf nicht an Generationen oder Ländergrenzen Halt machen. Mit der sozial-ökologischen Wende in Europa haben wir einen Motor und eine Verpflichtung gegenüber zukünftigen Generationen. Der European Green Deal bietet uns dafür das Fundament: Er ist die Antwort auf die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen. Damit Klima- und Generationengerechtigkeit nicht nur leere Worthülsen bleiben. Er muss er auch das Herzstück des Wiederaufbauprogramms für Europa nach Corona sein und dafür sorgen, dass unsere Wirtschaft wieder stark wird – aber nachhaltig.

Ihr seht: Wir sind zwar ein Jahr weiter. Die Aufgaben sind aber nicht weniger geworden. Deswegen müssen wir Europa auch in Zukunft jeden Tag gemeinsam verteidigen, gegen diejenigen, die zurück zum Nationalstaat sowie zur Einfalt wollen. Diejenigen, die europäische Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit abbauen und das Menschenrecht auf Asyl aushöhlen. Diejenigen, die uns daran hindern eine Wende zum Wohle von Umwelt und Menschen aufzubauen. Und einer weltweiten Pandemie, die unsere europäische Solidarität auf die Probe stellt.

 

Delara Burkhardt ist seit Mai 2019 Abgeordnete im Europäischen Parlament. Als jüngste deutsche Abgeordnete setzt sie sich seitdem für ein Europa ein, das für die Menschen und die Umwelt gleichermaßen da ist.
In den sozialen Medien berichtet sie laufend über ihre Arbeit.