Unsere Gastautorin arbeitet in der Wohnungsvermittlung für Geflüchtete. Wir haben mit ihr über ihre Sorgen und Probleme in der Corona-Zeit gesprochen. Um ihre Persönlichkeit zu schützen, möchte sie gerne anonym bleiben.
Perspektive der betroffenen Personen
Ein Mensch wird zugewiesen oder eine Familie. Ein Umzug in eine unbekannte Stadt steht an. Wie die zugedachte Unterkunft aussehen wird, ist nicht eigenständig beeinflussbar. Man muss nehmen was man bekommt. Grundsätzliche Fragen stehen im Raum. Wird man sich eine Unterkunft mit fremden Menschen teilen müssen? Welcher Nationalität gehören die Mitbewohner*innen an, welcher Religion? Zeichnen sich Konflikte ab? Wird man sich miteinander verständigen können? Bietet die Unterkunft einen sicheren Schutzraum? Wer wird helfen? Ist die angebotene Unterstützung bedarfs- und Bedürfnisgerecht?
Perspektive des Sozialpädagogischen Dienstes
Das übliche Konzept greift nicht mehr. Die eine Hälfte der Belegschaft arbeitet wechselseitig im Homeoffice, von den Anwesenden Kolleg*innen gehören einige der Risikogruppe an und sollten, günstigster Weise, trotz Schutzvorkehrungen wenig Kontakt zu anderen haben; die Stimmung ist gedrückt. Der Betrieb läuft weiter. Menschen werden Notunterkünften zugewiesen, parallel zur Kontaktsperre. Wohnraum wird gesucht, Nachfragen nach Besichtigungen ziehen sich oft über Monate hin und enden nicht selten ohne Mietvertragsabschluss. Bezahlbarer Wohnraum ist knapp.
Soziales Netzwerk
Sprachbarrieren und Unkenntnis der Zuziehenden bezüglich des Existenzsichernden Systems machen Unterstützung da nötig, wo die eigenen Ressourcen nicht ausreichen. Das bisher gut funktionierende Netzwerk arbeitet jedoch ebenfalls, aufgrund infektionspräventiver Maßnahmen lediglich eingeschränkt. Viele der Zuziehenden haben schon Verwandtschaft oder Freunde/Bekannte in der Nähe ihrer Unterkunft oder können diese, zwecks Unterstützung, per Handy erreichen. Ehrenamtliche Unterstützer*innen äußern ihre Besorgnis. Sie fordern mehr Unterstützung und Fürsorge durch die städtische Sozialarbeit, über deren Möglichkeiten und ihren Arbeitsauftrag hinaus.
Die Unzufriedenheit von außen kann als vorwurfsvoll ausgelegt werden und erhöht den Druck. Die Erwartungen des Umfelds stehen teilweise einer empowerisierenden Sozialarbeit mit Fokus auf Privatsphäre und Selbstbestimmung der Geflüchteten gegenüber. Unverständnis wird zum Ausdruck gebracht. Seitens der Geflüchteten ist kein Unmut zu vernehmen. Bis dato aufgebaute tragfähige Vertrauensverhältnisse und eine flexible, lösungsorientierte Arbeitsweise bewähren sich auch in dieser Ausnahmesituation. Der Informationsaustausch findet telefonisch oder per E-Mail statt, in Ausnahmefällen, unter Schutzvorkehrungen, auch direkt. Der Arbeitsauftrag wird unbeschadet weitergeführt.
Was ist neu? Was fehlt?
Begrüßungen erfolgen ohne Händedruck. Ersatzweise gewöhnt man sich an kontaktlose Willkommensgesten, die dennoch eine respektvolle Haltung vermitteln sollen. Durch die Nasen-Mund-Maske entfällt die Möglichkeit des Lesens der gegenseitigen Mimik. Ein erstes Kennenlernen wird, zusätzlich zur Sprachbarriere, behindert. Die Abstandsregeln könnten einen Eindruck von Unerwünschtheit bewirken. Beratungen erfolgen durch eine Plexiglasschutzwand hindurch. Termine sind nur zu vereinbaren sofern sie nicht vermeidbar sind. Die Maßnahmen dienen dem Infektionsschutz und können Leben retten. Die Ausbreitung der Infektion in einer Gemeinschaftsunterkunft hätte erhebliche Tragweite. Es ist bemerkenswert, wie schnell sich die neue Arbeitsweise im arbeitsseitigen Miteinander eingespielt hat. Lockerungen sind schon im Gange. Es wird jedoch nicht wieder werden wie es war sondern man wird sehen welche Anpassungen sich zum Schutze aller bewähren.