Hi Kati! Heute soll es um die ungleiche Bezahlung der Geschlechter gehen. Als Gewerkschafterin kennst du dich da besonders gut aus. Wie ist das eigentlich in Deutschland? Verdienen Frauen wirklich weniger als Männer, auch wenn sie die gleichen Fähigkeiten besitzen?
Ganz klares Ja – Frauen bekommen für ihre Arbeit in Deutschland weniger Geld, als Männer. Der sogenannte Gender-Pay-Gap, oder auf Deutsch einfach die “Entgeltlücke”, zwischen Männern und Frauen beträgt in Deutschland aktuell 20%. Damit stehen wir im europäischen Vergleich echt mies da, nur noch in Estland ist die Entgeltlücke größer. Um diese Zahl zu verstehen, ist es natürlich wichtig zu wissen, wie sie berechnet wird: Man nehme den durchschnittlichen Bruttostundenlohn von allen männlichen Arbeitnehmern und berechne den Unterschied zum durchschnittlichen Bruttostundenlohn aller weiblichen Arbeitnehmerinnen. Dies wird jedes Jahr aufs Neue berechnet.
Wird diese Zahl diskutiert, kommt meist großer Widerstand und es wird behauptet diese Zahl sei nicht aussagekräftig, weil das nicht der „bereinigte Gender-Pay-Gap“ ist. Dieser würde wesentlich weniger betragen und somit wäre der Aufschrei über den Entgeldunterschied auch nicht gerechtfertigt. Der sogenannte bereinigte Gender-Pay-Gap soll aussagen, was eine Frau im Vergleich mit einem Mann in selber Position, mit selber Ausbildung und selben Lebensweg bekommt. Hier liegt der Unterschied bei ca 7%. Wieso dies aber den Aufschrei weniger rechtfertige soll, ist mir fremd. Wir haben hier einen deutlichen Unterschied, für den es keine Erklärung gibt, außer das Geschlecht.
Nun stellt sich natürlich die Frage warum wir mit den 20% arbeiten und nicht mit der in manchen Augen kritikfesteren Zahl. Aus zwei Gründen: Zum einen ist es einfach überhaupt nicht möglich jede Lebensentscheidung und jeden Einfluss auf das Leben der betroffenen Personen statistisch zu erfassen und zu gewichten und somit festzulegen was genau zu diesen 7% führt. Zum anderen wollen wir auf das große, strukturelle Problem in unserer Gesellschaft hinweisen. Frauen arbeiten oft in Jobs, in denen die Bezahlung und Arbeitsbedingungen schlechter sind, kommen seltener in Führungspositionen und arbeiten öfter in Teilzeit als Männer, da es in unserer Gesellschaft leider immer noch selbstverständlich ist, dass sich die Frau um die Kinder, den Haushalt und die Pflege von Angehörigen kümmern muss. Diese Faktoren führen nicht nur dazu, dass Frauen im Arbeitsleben schlechter gestellt sind, sondern auch weniger Rente bekommen.
In Deutschland und der EU gibt es ein Diskriminierungsverbot, worunter diese Ungleichbehandlung doch auch fallen müsste. Können sich die benachteiligten Frauen ihren gerechten Lohn nicht einfach einklagen?
Klar, eigentlich schon. Und ja, theoretisch könnte eine benachteiligte Frau auch gegen eine Ungleichbehandlung und damit für gleichen Lohn klagen. In der Praxis liegen aber so viele Steine auf dem Weg zum Erfolg. Angefangen mit dem offensichtlichsten – die Verteilung der Macht zwischen Unternehmen und Beschäftigten. In der Regel arbeitet man, weil man das Geld zum Leben braucht und es würde einen furchtbar hart treffen einen Job zu verlieren. Aus diesem Grund überlegt man es sich zweimal, ob man gegen den*die Arbeitgeber*in vorgeht. Denn eines der größten Probleme ist tatsächlich, dass es kein Verbandsklagerecht in dieser Frage gibt. Das heißt jede Frau müsste individuell dagegen vorgehen, es kann nicht zum Beispiel die Gewerkschaft gegen diese Diskriminierung für sie klagen. So eine Klage gegen den*die Arbeitgeber*in kann gravierende Folgen haben, egal wie das Gericht am Ende urteilt und dieses Risiko wollen sehr wenige eingehen.
Ein weiteres großes Problem ist das Nachweisen der Diskriminierung. Vor einiger Zeit wurde ein Gesetz verabschiedet, welches dies erleichtern sollte. So können laut Entgelttransparenzgesetz nun Beschäftigte beim Verdacht einer ungleichen Bezahlung bei vergleichbaren Tätigkeiten im Unternehmen nachfragen was ihre Kolleg*innen verdienen. Leider hat dieses Gesetz so viele Lücken, dass es gar keine wirkliche Wirkung hat. Es beginnt damit, dass dieser Anspruch erst für Unternehmen gilt, in denen mehr als 200 Beschäftigte sind. Da zwei Drittel der Frauen in kleinen oder mittelständigen Unternehmen arbeiten, hat der Großteil keinen Anspruch auf die Auskunft. Wenn eine Auskunft eingefordert und eine ungleiche Bezahlung aufgedeckt wird, die betroffene Person dagegen nicht vorgeht, hat es erstmal keine Konsequenzen für das Unternehmen. Das Unternehmen kann zwar dazu aufgefordert werden die Lohnstrukturen zu überarbeiten, macht es dies nicht, hat es keine Folgen.
Im Prinzip hat man mit dem Gesetz einen gut gemeinten, zahnlosen Tiger geschaffen, dies hat auch die Evaluierung des Gesetzes ergeben. Es braucht dringend eine Nachbesserung! Zum einen muss dieses Gesetz für alle Beschäftigten gelten, zum anderen muss ein Verbandsklagerecht möglich sein. Auch muss es Konsequenzen für Unternehmen haben, die ungleich bezahlen.
Jetzt mal Butter bei die Fische: Was müsste sich aus deiner Sicht ändern, damit wir die Lücke endlich schließen?
Wie vorhin schon angedeutet, braucht es wirkungsvolle Waffen im Kampf bei der ungleichen Bezahlung in individuellen Fällen. Solange wir diese „David gegen Goliath“ Situation haben, brauchen die Beschäftigten, also die „Davids“, auch die symbolische Schleuder und den symbolischen Stein um gegen die „Goliaths“, die Unternehmen, bei Diskriminierungen effektiv vorgehen zu können.
Allerdings müssen wir uns vor allem gegen die strukturelle Benachteiligung von Frauen stellen! Wir müssen dafür sorgen, dass Jobs in denen überwiegend Frauen arbeiten gut bezahlt werden und die Arbeitsbedingungen verbessern. In den letzten Wochen hat man doch gemerkt, dass es gerade die Pflegeberufe und der Einzelhandel waren – mit überwiegend weiblichem Personal – die den Laden am Laufen gehalten haben. Hier muss mehr passieren als nette Worte und klatschen.
Wir müssen dafür sorgen, dass die Sorgearbeit, also Pflege, Kinderbetreuung, Hausarbeit nicht mehr nur an der Frau hängen bleibt. Es muss möglich sein, dass in der Zeit, in der Kinder betreut oder Angehörige gepflegt werden müssen Partner*innen zum Beispiel zu gleichen Teilen ihre Arbeitszeit verkürzen können, ohne einen massiven Einschnitt des Einkommens hinnehmen zu müssen.
Wir brauchen stärkere Kontrollen der Betriebe und Strafen für die Unternehmen, die auch wirklich wehtun. Wir brauchen mehr Betriebsrät*innen, die vor Ort gegen Diskriminierungen vorgehen können und wir müssen die Tarifbindung stärken. Das heißt wir brauchen wieder mehr Unternehmen mit Tarifverträgen, denn in den tarifgebundene Unternehmen sind die Arbeitsbedingungen besser, die Entgelte höher und die Ungleichbehandlung der Geschlechter geringer. Dafür braucht es auch starke Gewerkschaften, also #joinyourlocalgewerkschaft 😉
Das sind nur paar Punkte, im Großen und Ganzen gibt es noch so viel was man angehen muss und angehen kann um die Geschlechterdiskriminierung zu beenden. Aber das gute ist ja: Wir sind viele und wir lassen es nicht auf uns sitzen! Das Thema geht uns alle was an, denn das ist kein „Frauenproblem“, es ist ein Problem der gesamten Gesellschaft.