Von Regenbogen und Autokraten

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Wie politisch darf Fußball sein?! Und wie politisch sollte Fußball sein?! Sport ist immer politisch, denn gesellschaftliche Teilhabe ist politisch. Das hat die UEFA nicht verstanden. Aber von Anfang an:

Am Sonntag ereilt uns die Nachricht, dass die UEFA ein Überprüfung gegenüber Manuel Neuer eingeleitet hat. Der Torwart der deutschen Nationalmannschaft hat bei den letzten EM-Spielen eine Regenbogen-Kapitänsbinde am Arm getragen. Wenige Stunden später wird diese Überprüfung eingestellt. Die Begründung: die Regenbogenbinde wird als Zeichen der Mannschaft für Vielfalt und damit als „good cause“ bewertet.

Nur wenige Stunden später beantragt der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter im Stadtrat, die Allianz Arena zum Spiel Deutschland-Ungarn in Regenbogenfarben erleuchtet zu lassen. Doch das ging der UEFA dann doch etwas zu weit. Vor zwei Jahren noch twitterte die UEFA stolz den Regenbogen und predigte Toleranz und Vielfalt. Die Erleuchtung des Stadions sei aber ein politisches Statement, das nicht unterstützt wird.

Warum jetzt erst?

Aber warum ist es denn jetzt gerade bei diesem Spiel so ein vermeintlich heikles Thema? Hintergrund ist ein vergangene Woche vom ungarischen Parlament verabschiedetes Gesetz, das „Werbung“ für Homosexualität oder Geschlechtsangleichungen bei Minderjährigen verbietet. Es bezieht sich vor allem auf Informationen und Bücher im Sexualkundeunterricht. Darüber hinaus werfen Kritker*innen der UEFA vor, die Solidaritätsbekundung aus Angst vor ihren Sponsoren zu verbieten.

Dabei ist es doch gerade bei einem so männlich dominierten Sport ein wichtiges und notwendiges Zeichen, sich für Toleranz, Vielfalt und Respekt einzusetzen. Bei einem Turnier, das einmalig in 11 Ländern stattfindet und kein eigenes Austragungsland hat, das sich und seine Kultur präsentiert, sollte es erwünscht sein, die europäischen Werte zu feiern und zu zeigen.

Long way to go?

Männerfußball ist an sehr vielen Stellen homophob. Selbst der ehemalige Kapitän der Nationalmannschaft, Philipp Lahm, rät Spielern, sich in der aktiven Karriere nicht zu outen. Der mediale Druck ist enorm. Spieler haben Angst vor den Konsequenzen, die ihnen nach einem Coming-out drohen könnten: keine Vertragsverlängerungen, Anfeindungen durch Fangruppen und einiges mehr. Wir brauchen eine fortschrittliche UEFA, die diese Ängste bekämpft statt sich von Regenbögen verunsichern zu lassen. Wir brauchen eine Verbandskultur, in der jeder sein kann, wie er will und darin unterstützt wird.

Die Bundesregierung sieht bei der Debatte um die Regenbogen-Binde die Sportverbände und die Verantwortlichen vor Ort zuständig, ein klares Zeichen aus Berlin fehlt an dieser Stelle. Kein Wunder, denn die Union selbst verhindert seit Ewigkeiten Fortschritte für queere Menschen und kumpelt mit dem Autokraten Victor Orbán auf ihren Klausurtagungen und in der EU.

Ein Gutes hat die Aktion jedoch: durch den Entschluss der UEFA wurde dem Thema viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als es die Allianz-Arena mit bunter Beleuchtung hingekriegt hätte.

“Gut kick!” in die Runde!

Kianusch Stender

Maybrit Venzke